Stereofotos anfertigen

Stereofotos selbst erzeugen

Auch ohne spezielle 3D-Kamera kann man recht einfach Raumbilder erstellen. Es geht mit jeder Foto-Kamera. Was an Grundlagen zu beachten ist, schildere ich hier in diesem Kapitel.

Zunächst ein paar grundsätzliche Erklärungen: Unser Gehirn erzeugt aus der Wahrnehmung unserer beiden Augen ein räumliches Bild, indem es auf Unterschiede in den beiden Einzelbildern reagiert. Dadurch, dass unsere Augen etwa 7cm Abstand haben, sehen sie Gegenstände im Vordergrund aus leicht anderem Blickwinkel. Sie haben vor dem Hintergrund der Szene auch eine etwas andere Position.

Stellen wir uns eine Szene vor: Vor uns ein parkendes Auto, dahinter ein Haus, in dessen Hintergrund sich die Berge erheben. Geht man in dieser Szene einen Schritt nach rechts, so wird sich der Hintergrund kaum verändern – im Verhältnis zur Entfernung der Berge hat unser kleiner Schritt keine sichtbaren Auswirkungen. Auch das Haus auf der anderen Straßenseite hat sich nur geringfügig verändert – es nimmt im Vergleich zu seinem Hintergrund eine leicht verschobene Position ein. Am deutlichsten wirkt sich die veränderte Perspektive auf das Auto im Vordergrund aus. Es erscheint deutlich vor einem anderen Teil des Hauses; auch blickt man jetzt in einem erkennbar anderen Winkel auf das Kennzeichen, etc.

Aus solchen Unterschieden zwischen zwei Bildern erzeugt das Gehirn den Raumeindruck. Je weiter vorne ein Objekt liegt, desto größer seine Verschiebung auf den beiden Einzelbildern der Augen.

Geht man nun in der Straße 20 Meter weiter nach rechts, so sind Auto und Haus aus dem Blick auf die Berge verschwunden. Die Berge präsentieren sich durch ihre große Entfernung jedoch fast genau aus der gleichen Perspektive.

Durch den festen Abstand unserer Augen ist der Bereich, in dem eine gute räumliche Wahrnehmung funktioniert, festgelegt. Halten wir einen Gegenstand direkt vor unsere Nase, funktioniert das räumliche Sehen nicht – wir sehen nur ein mehr oder weniger unscharfes Doppelbild.

Schauen wir hingegen auf eine Szene in mehr als 100 Meter Entfernung, dann können wir allein aufgrund des Raumeindrucks nicht mehr unterscheiden, welcher Baum beispielsweise weiter vorne und welcher weiter hinten ist. Hier hilft uns natürlich unser antrainiertes perspektivisches Empfinden, so dass wir dennoch wissen, welcher Baum näher ist. Mit stereoskopischem Sehen hat dies aber nichts mehr zu tun.

Stereobasis

Was lernen wir nun aus diesen Beispielen über die Einzelbilder für ein gutes Stereofoto? Die wichtigste Lektion sollte sein, dass es keinen einzigen festen Ideal-Abstand gibt. Je nach Szene können gute 3D-Fotos mit völlig unterschiedlichem Einzelbild-Abstand (Stereobasis genannt) aufgenommen sein. Wer Stereo-Makros von Ameisen machen möchte, kommt ggf. mit 1-2mm Stereobasis aus, während ich schon stereoskopische Luftaufnahmen der Alpen gesehen habe, die aus großer Höhe mit knapp 1km Stereobasis aufgenommen wurden (errechnet aus der Fluggeschwindigkeit und dem Sekundenabstand der Einzelbilder).

Es gibt eine Faustformel, mit der man sich als Anfänger in etwa behelfen kann, solange es sich um „normale“ Stereofotos mit einem üblichen Weitwinkel-Objektiv handelt: Die Stereobasis sollte etwa 1/30 des Motivabstands betragen. Da meine Stereokamera (Fuji Real 3D W1) eine feste Basis von knapp 8cm hat, sollte der Mindestabstand zum Motiv also möglichst nicht unter ca. 240cm liegen.

Wenn ich nun eine Szene in 6m Entfernung fotografiere, so kann meine Stereobasis durchaus ein Stück größer gewählt werden, wenn ich einen starken Raumeffekt haben möchte. Gemäß der Faustformel wären es demnach etwa 20cm.

Statt nun ständig Abstände zu messen und zu berechnen, sei an dieser Stelle gesagt: Man bekommt mit der Zeit ein Gefühl dafür, und außerdem kostet es ja nichts, 3 oder 4 Aufnahmen in einer weiter nach rechts führenden Reihe zu machen und später zu schauen, welches Bildpaar einen möglichst guten Stereo-Effekt gibt, ohne schon zu weit auseinander zu sein (was zu Kopfschmerzen oder gar zu „stereoskopischem Zerfall“ führt, wenn sich die Bilder nicht mehr beim Betrachten zu einem Stereobild zusammenfügen).

Richtige „Stereo-Freaks“ verweden übrigens gerne ein Gespann von 2 identischen Kameras, die auf einer Schiene fest verbunden sind. Wenn diese Schiene so konstruiert ist, dass man die Kameras auseinanderschieben kann, dann hat man sogar eine (in Grenzen) variable Stereobasis. Die beiden Digitalkameras werden über eine modifizierte Firmware synchron per Fernauslöser ausgelöst. Dadurch kann man auch sich bewegende Motive stereoskopisch aufnehmen – so wie ich dies auch mit meiner Fuji W1 mache, die mir als Immerdabei-Lösung wesentlich sympathischer ist als so ein sperriges Gespann. Auf www.stereoforum.org findet man jedenfalls viele Tipps zum Thema Stereo-Gespanne.

Doch nun geht es um eine Methode, wie man auch mit einer gewöhnlichen „Mono“-Kamera Stereofotos machen kann. Und zwar mit JEDER Fotokamera, von der Handyknipse bis zur teuren Profikamera. Einzige Einschränkung: Die Motive müssen still halten, denn die Bilder werden nacheinander erzeugt, also nicht gleichzeitig.

Simplicissimus

3 geringfügig verschiedene Perspektiven

Grimmelshausen

Als Beispiel für das Erstellen von passenden Einzelbildern habe ich den ehrenwerten Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen für eine Portraitsitzung gewinnen können. Da er in seinem Roman „Der abenteuerliche Simplicissimus“ auch die Gier der barocken Gesellschaft nach Marzipan beschreibt, hat er als Marzipanfigur einen Ehrenplatz im Niederegger-Marzipansalon in Lübeck bekommen.

Wegen des gedämpften Lichts kam die Spiegelreflexkamera zum Einsatz und ich habe – wie oben beschrieben – eine Serie von 3 Fotos gemacht. Wenn man die Bilder (nach Großklicken) vergleicht, so sieht man die perspektivischen Unterschiede. Deutlich wird dies z.B. am Schatten der Hutfeder oder an der Beuge des rechten Ellenbogens, die im linken Bild noch gut zu sehen ist, während sie im rechten Bild von dem flammenden Herzen verdeckt wird.

Wichtig ist beim Fotografieren für Stereobilder, dass möglichst kein Höhenfehler auftritt. Die Bilder sollten also möglichst alle aus der gleichen Kamerahöhe aufgenommen sein. Idealerweise kann man dies natürlich mit einem Schiebeschlitten auf dem Stativ erreichen, aber auch Freihand-Aufnahmen führen bei der späteren Bearbeitung mit StereoPhoto Maker zu schönen Ergebnissen, wenn die Höhe möglichst gut beibehalten wurde. Eine Verschiebung des Bildausschnittes durch Kippen oder Drehen der Objektivachse lässt sich mit dem Programm beheben (wobei dann natürlich ein kleinerer Bildausschnitt in Stereo übrigbleibt), aber gegen Höhenfehler hilft keine Software wirklich gut.

Um Höhenfehler auch bei Freihand-Stereos zu vermeiden, haben sich viele Raumbildfotografen als Aufnahmetechnik den sogenannten Cha-Cha angewöhnt: Stehend verlagert man sein Gewicht auf das linke Bein und hält die Kamera in einer Position, die man möglichst stabil beibehalten kann (Ellenbogen an Körper andrücken, etc.). So macht man das erste Foto und merkt sich die Display-Anzeige bzw. den Sucher-Ausschnitt. Man behält nun genau diese Kamerahaltung bei und wechselt nun auf das rechte Bein als Standbein. Schon ist die Kamera ein paar Zentimeter weiter rechts bei ansonsten fast unveränderter Lage.

Stereobild (Parallelblick)

Stereofoto

Bei meinen 3 Grimmelshausen-Aufnahmen sieht man schon mit bloßem Auge, dass die rechte leider etwas verschoben ist, was sie in Bezug auf Höhenfehler verdächtig macht. Auch ein Ausprobieren aller drei Kombinationen (1+2, 1+3, 2+3) mit der Autojustage von StereoPhoto Maker bestätigt, dass sich die Bilder Links und Mitte am besten kombinieren lassen.

Die Bearbeitung des Bildpaares erfolgt wie schon in dem Kapitel über die Erstellung von Anaglyphenbildern beschrieben. Nach der Auto-Justage wählt man die Lage des Motivs in Bezug auf die Scheinfensterebene mit Hilfe der Tasten Pfeil rechts/links. Bei diesem Motiv bietet es sich an, Herrn Grimmelshausen so zu stellen, dass sein Körper zwar hinter dem Scheinfenster steht (um einen Scheinfensterkonflikt an der unteren Fensterkante zu vermeiden), dass er jedoch dem Betrachter seine Linke mit dem flammenden Herzen durch das „offene Fenster“ entgegenstreckt.

Wer sich das hier gezeigte Stereofoto abspeichert und in SPM lädt, kann es mit der Betrachtungsweise seiner Wahl anzeigen lassen. Ich zeige Euch aber gerne auch die Version als Halbton-Anaglype für die Rot-Cyan-Brille am Ende des Artikels.

Generell empfehle ich übrigens die Speicherung in SPM nicht nur als Anaglyphe, sondern auch als Stereofoto (im Prinzip wie hier gezeigt, aber natürlich nicht verkleinert, sondern in voller Auflösung). Denn in der Anaglyphe sind die Farben ja verfälscht, und das Bild lässt sich auch nicht mehr sauber trennen. Mit einem solchen Stereobild, das einfach beide Ansichten nebeneinander trägt, kann man aber auch später noch die Darstellungsart problemlos wechseln (beispielsweise für Shutterbrille oder als Stereokarte statt Halbton-Ana), etc.

Advanced 3D

Bei Fotos mit großer Stereobasis versagt die Cha-Cha-Methode natürlich. Da muss man halt ein paar Schritte gehen. Man sollte sich den Bildausschnitt der ersten Aufnahme gut einprägen, bevor man zum Livebild der zweiten Aufnahme wechselt und versucht, einen möglichst ähnlichen Ausschnitt auf gleicher Höhe anzuvisieren.

Kölner Dom, 2 Aufnahmen überlagert

Doppelbild

Hilfreich ist dabei der Modus Advanced 3D meiner Fuji W1, den ich mir auch an allen anderen Digitalkameras wünschen würde. Da er nur ein Objektiv benötigt, wäre es auch kein Problem, andere Live-View-Kameras damit auszustatten. Es ist eine reine Software-Frage. Im Advanced-3D-Modus wird bei der Aufnahme des zweiten Fotos das Bild des ersten halbtransparent mit eingeblendet. So sieht man beim Suchen des Ausschnittes zwar ein „verschwommenes“ Bild, aber man erkennt anhand der größeren Konturen, ob man in die richtige Richtung zielt.Es geht natürlich auch ohne diesen speziellen Modus. Zum Glück kann man ja direkt nach der zweiten Aufnahme zwischen beiden Einzelbildern hin- und herschalten. Mit ein wenig Erfahrung sieht man dann schon recht gut, ob sich die Bilder zur späteren Stereo-Bearbeitung eignen, oder ob man sicherheitshalber noch einen zweiten Aufnahmeversuch starten sollte.

Rot-Cyan-Anaglyphe

Blick vom KölnTriangle

Schön sieht er aus, der 3D-Blick vom Triangle-Turm in Köln. Die Basis war ca. 3-5m, schätze ich jetzt jedenfalls. Daher bekommt das Stadtpanorama eine Räumlichkeit, wie man es sonst eher auf Modellbahnanlagen wahrnimmt. Manche empfinden das als künstlich und modellhaft, aber mir gefällts.

Schaut man sich die mit SPM justierte Anaglyphe genauer an, so sieht man auch einige Schwachpunkte des Verfahrens: Da zwischen den Aufnahmen einige Sekunden vergangen sind, hat das Schiff unter der Brücke inzwischen seine Position gewechselt, und auch der Zug, der sich beim linken Bild noch unter den Bögen der Hohenzollernbrücke versteckte, ist auf dem rechten Bild in den Bahnhof eingefahren und stört so die stereoskopische Wahrnehmung. Solche inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Einzelfotos nimmt unser Gehirn schnell als Fehler wahr. „Da stimmt doch was nicht!“, und schon schaut man genauer hin. Wenn man dann abwechselnd die Augen zukniept, sieht man recht einfach, wo das Stereobild inhaltliche Fehler aufweist.

Dies ist übrigens kein neues Problem: Schon vor gut 150 Jahren hatten Stereo-Fotografen damit zu kämpfen. In dem Buch, das ich im April-2010-Editorial empfehle, findet sich beispielsweise die Wiedergabe einer Stereokarte, auf der die Kirchturmuhr verschiedene Zeiten auf den Einzelbildern anzeigt. Heutzutage hat man jedoch die Möglichkeit, solche Fehler mit dem Klonstempel von SPM schon bei der Stereo-Bearbeitung zu korrigieren.

Soviel erst einmal zur Erstellung von Stereobildpaaren. Bestimmt lässt sich noch viel mehr dazu sagen, aber ich will ja auch nicht mit riesigen Textwüsten verwirren und langweilen. Wenn aber noch wichtige Aspekte unerwähnt geblieben sind, könnt Ihr mir gerne hierzu schreiben.

Rot-Cyan-Anaglyphe Rot-Cyan-Anaglyphe Rot-Cyan-Anaglyphe

Niederegger Marzipansalon Lübeck

9 Gedanken zu “Stereofotos anfertigen

  1. Pingback: Anaglyphenbilder | Rolands Fotokurs

  2. Pingback: Anonymous

    • Wenn Du einen 3D-Fernseher hast, dann kannst Du damit auch die selbst erstellten 3D-Fotos mit der ‚handelsüblichen 3D-Brille‘ des 3DFernsehers schauen. Also entweder Polfilterbrille, wenn es ein Fernseher mit Polfilter-3D ist, oder die aktiven Shutterbrillen bei Shutter-3D-Fernsehern. Wäre ja zu schön, wenn man nur durch die Brille aus einem 2D-Monitor ein farbechtes 3D machen könnte. :-)
      Was aber geht: Anaglyphen, also Rot-Cyan-3D-Bilder für die farbige Brille. Das geht mit fast jedem Farbmonitor, sofern er einigermaßen genau die Farben wiedergibt. Ist ja in dem verlinkten Artikel „Anaglyphen“ ausführlich erklärt.

  3. Hallo, schon mal versucht mit einem Scanner 3D-Bilder von Kleinen Objekten anzufertigen? Das Objekt auf den scanner legen und einspannen. Danach das Objekt auf feie andere Seite schieben, also z.B. von rechts nach links. Drehungen aber bitte unbedingt vermeiden. Mit meinem Scanner, einem Epson Perfection 3200 Photo klappt das prima.

    • So ganz verstehe ich das nicht. Der Scanner sieht das Motiv doch beide Male gleich „von unten“. Wie kann da eine Raumwirkung entstehen? Hast Du vielleicht irgendwo ein Beispielfoto hochgeladen?

      • Leider ist mein Beispiel auf meinem alten Rechner und der gab den Geist auf. Aber ich mache ein neues Beispiel. Mehr dazu steht auf http://www.3d.imagefact.de/?p=55
        Ein Beispiel kann auf http:/fofrenzel.dyndns.org/wiki/projects/scanner/Scanner.html eingesehen werden.
        Bei machen (den meisten) Scannern sitzt der Sensor in der Mitte und somit ist eine Perspektive durchaus möglich.

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